Ein erfolgreicher Onboarding-Prozess bringt Mitarbeiter:innen auf den richtigen Weg, erhöht die Mitarbeiterbindung und steigert die Produktivität.
Wenn Sie jedoch Hunderte von neuen Mitarbeiter:innen aus dem Ausland finden und einarbeiten müssen, kann der schnelle Zugang zu Ressourcen eine Herausforderung darstellen.
Zusätzlich unterscheidet sich die Integration neuer Mitarbeiter:innen aus einem anderen Land vom Prozess der Einstellung im Inland. Verschiedene Schritte und zusätzliche Sorgfalt sind erforderlich, um sicherzustellen, dass der gesamte Prozess richtig verläuft. Andernfalls fühlen sich die neuen Mitarbeiter:innen nicht als Teil des Teams und haben kein richtiges Gefühl für das Unternehmen, was später zu Problemen bei der Mitarbeiterbindung führen kann.
Im Interview mit Startup Consultant & HR/Expat Support Melanie Santana Griebsch vom BARMER Hub für Startups und Relocation geht es um die Potenziale und Herausforderungen von Virtual Reality Training im Gesundheitswesen.
Warum kommen Ihre Versicherten in das BARMER Hub und welche Dienstleistungen bieten Sie genau im Gesundheitswesen an?
MG: Die BARMER blickt schon lange über den Tellerrand hinaus. Unsere Versicherten erwarten einen ganzheitlichen Ansatz und möchten sich gut aufgehoben und verstanden fühlen. Wenn es früher noch gereicht hat, dass ein Medikament oder eine Arztrechnung bezahlt wurde, geht es heute auch darum, wie nachhaltig meine Krankenkasse ist. Wie schnell und über welche Kanäle ich Dinge erledigen kann oder ob meine Krankenkasse beim Fortschritt der Digitalisierung nur mithält oder auch mitgestaltet.
Im BARMER Hub und in vielen weiteren Geschäftsstellen haben wir uns auf internationale Neueinstellungen und Feelgood Management (insb. modernes und englisch-sprachiges Betriebliches Gesundheitsmanagement) von Startups und Corporates spezialisiert.
Im Onboarding von Expats entwickeln wir uns stetig weiter, kennen die Pain-Points unserer zukünftigen Versicherten und gewährleisten, dass beim Ankommen in Deutschland bzw. im deutschen Sozialsystem alles reibungslos funktioniert. Wir erklären z. B. Expats das Sozialsystem persönlich oder mit hilfreichen Erklärvideos. Wir heißen sie in der Community willkommen u. a. durch unseren Welcome Newsletter der sie 1 Jahr lang begleitet. Auch unsere englischsprachige Homepage beantwortet schon viele ungeklärte Fragen.
In enger Zusammenarbeit mit Personaler:innen von Startups und Corporates halten wir alle Beteiligten immer up-to-date. Aber einfach erklärt und vor allem lösungsorientiert.
Ich denke genau deshalb kommen Menschen zur BARMER. Es spricht sich rum, wenn man direkt ein positives Erlebnis hat. Viele unserer Expats empfehlen uns weiter und bringen Freunde oder Familie mit nach Deutschland.
Wie sorgen Sie dafür, dass sich neues Pflegepersonal aus dem Ausland bei der Ankunft in Deutschland wohl fühlt und bestens vorbereitet auf der neuen Position in einem neuen Umfeld ankommt?
MG: Wir bei der BARMER glauben fest daran, dass ein reibungsloser und sorgenfreier Onboardingprozess die Grundvoraussetzung dafür ist, dass sich jemand in Deutschland wohlfühlt und gut in einen neuen Lebensabschnitt starten kann. Wir brauchen Fachkräfte – das ist nichts Neues. Nur müssen wir auch dafür Sorge tragen, dass Fachkräfte nicht von Bürokratie und immer neuen Hürden abgeschreckt werden und den nächsten Flieger zurücknehmen bzw. gar nicht erst einsteigen. Ein Neuanfang in einem anderen Land kostet immer Mut. Wenn jemand schon komplett gestresst ankommt und nicht integriert wird, steigt das Potenzial für stressbedingte Krankheiten und Abwanderung.
Wir möchten unseren Teil dazu beitragen, dass Expats so viele „Ticks in the Box“ wie möglich bereits im Heimatland erledigen können. Die Krankenkasse ist eins davon. Man mag meinen, dass das nur ein kleines Rädchen in der Gesamtmaschinerie ist, aber ohne uns dreht sich das gesamte Rad nicht (ohne Versicherung kein Visum, keinen Job und somit auch kein Gehalt). Daher kann man bei der BARMER alles vorab digital erledigen. Denn wir können nicht immer davon ausgehen, dass es einen Drucker oder Scanner in einem kleinen Dorf in Südamerika gibt. Wichtig ist auch, dass Expat und HR immer im Loop sind. So fühlt sich auch das neue Personal wirklich wertgeschätzt, sicher und vor allem willkommen.
Gerade im Bereich Onboarding sorgen virtuelle Touren vom zukünftigen Arbeitsplatz, aber auch dem kulturellen Umfeld für eine optimale Vorbereitung. Auf welche Software setzen Sie dabei bei der Vorbereitung?
MG: Als ich das erste Mal von virtuellen Touren gehört habe, hat dies perfekt für mich zum Thema Onboarding gepasst. Ich bin ein visueller Mensch. Ich mag es die Szenerie, den Raum oder die Umgebung zu kennen, bevor ich mich Herausforderungen stelle. Das bereitet mich sehr gut vor und nimmt mir die Angst vor der neuen Situation.
Vor allem in der Pflege gibt es immer noch große Ausbildungsunterschiede zwischen den Nationen. Gerade hier würde es Sinn machen, dass Fachkräfte bereits im Ausland diese Unterschiede durch Schulungen ausgleichen können – gerne auch virtuell. Denn je weniger neue unerwartete Situationen sie erwarten, desto sicherer werden sie und desto schneller kommen sie auch mental im neuen Land an.
Natürlich spielt auch die Kultur eine entscheidende Rolle. Das eine Thema ist die berufliche Herausforderung, die anderen sind z. B. die Sprache, Gewohnheiten, Nahrung, Regeln, Gesetze, Infrastruktur, etc. Wenn man das durch virtuelle Rundgänge oder Schulungen von Soft Skills vorab erleben könnte, wäre das einfach nur großartig.
Zum Stichwort Digitalkompetenz hat das VR Lernen sicherlich den großen Vorteil, dass die Auszubildenden visuell und unter Aufsicht miteinander agieren, so dass ein solches Training eine sichere Lernumgebung bietet.
MG: Zunächst einmal braucht es eine grundlegende Digitalkompetenz, um sich in virtuellen Realitäten zurechtzufinden und die notwendige Technik bedienen zu können. Das kann natürlich bereits eine Hürde darstellen. Gehen wir allerdings davon aus, dass Technik und Anwendungen nutzerzentriert und intuitiv gestaltet sind, können virtuelle Welten der Digitalkompetenz natürlich auch einen Schub verleihen, weil sie digitale Themen greifbarer darstellen können.
Selbst wenn ich kein Smartphone besitze, könnte ich es in einer virtuellen Umgebung in der Hand halten und ausprobieren. Ich könnte Apps testen, ohne mich zuvor anzumelden. Abgesehen davon lohnt es sich einen Blick auf die Anforderungen der digitalen Weiterbildung in virtuellen Welten zu werfen und zu überlegen, wie man Nutzende davor schützen kann.
Gibt es bei der BARMER auch konkrete Lösungsansätze, um diese Herausforderungen langfristig anzugehen?
MG: Mit der Digitalisierung des Gesundheitswesens ergeben sich enorme Chancen, die Versorgung unserer Versicherten mit neuen digitalen Produkten und Services auf ein neues Niveau zu heben. Auch die BARMER durchläuft derzeit einen Prozess der doppelten Transformation – eine interne und eine durch externe Aspekte geprägte.
Wir möchten die digitale Transformation vorantreiben und zugleich kritisch begleiten. Das wird uns nur gelingen, wenn unsere Mitarbeitenden unsere Werte verstehen, in ihre Entscheidungen einfließen lassen und auch gegenüber Versicherten und Partnerinnen und Partnern im digitalen Ökosystem selbstbewusst vertreten – Führungskräfte, Sachbearbeitung und Kundenberatung gleichermaßen. Dafür müssen wir jede und jeden einzelnen aktiv einbinden anstatt im Elfenbeinturm zu verharren.
Um die Bedingungen hierfür zu schaffen und auszubauen, sind aktuell etwa 600 sogenannte DigiCoaches bei der BARMER im Einsatz. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen tragen diese Digital-Multiplikatoren in allen Einheiten der BARMER bundesweit zu einem nachhaltigen Wandel unserer Unternehmenskultur bei und steigern die Digitalkompetenz flächendeckend. Für Zukunftsfragen rund um Themen wie Datenschutz, Produktentwicklung, eHealth oder Künstliche Intelligenz haben wir abteilungsübergreifend den Wertekompass entwickelt. Doch was nützen Werte und Presseberichterstattung darüber, wenn sie nicht gelebt werden?
Seit 2017 gibt es unsere Innovationsabteilung BARMER, in der auch ich tätig bin. Durch meine Kolleginnen und Kollegen halten Ideen und Konzepte wie Service Design, agile Methoden, Nutzerzentrierung und Gamification zunehmend Einzug in unser Denken und Handeln. So entdecken und entwickeln wir in Kundenreisen gemeinsam mit den Fachabteilungen der BARMER sowie Unterstützung aus Kundenberatung und Sachbearbeitung neue digitale Produkte für unsere Versicherten. Dabei binden wir die Versicherten aktiv ein, sprechen in Interviews auch persönlich über Schmerzpunkte und Ideen. Diese Nutzerzentrierung ist aufwendig, liefert am Ende aber Services mit echten Mehrwerten für die Menschen. Wir möchten unsere Mitarbeitenden von der Digitalisierung begeistern, damit diese ihre Begeisterung an unsere Versicherten weitergeben können. Wenn wir also von Digitalisierung der BARMER reden, dann wenden wir unbedingt den Blick nach innen und erst dann nach außen.
Wenn wir einen Blick in die Zukunft werfen und alles möglich wäre, wie sehen Sie die medizinische Versorgung der Zukunft und welche Rolle spielen dabei Digitalisierungsprojekte wie die Einbindung von Virtual Reality im Gesundheitswesen?
MG: In der Zukunft sehe ich die medizinische Versorgung als immer fortschrittlicher und personalisierter, dank der Fortschritte in der Genomik, Biotechnologie und künstlicher Intelligenz. Die Diagnostik und Behandlung von Krankheiten werden immer präziser und gezielter auf die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten zugeschnitten sein.
Digitalisierungsprojekte wie die Einbindung von Virtual Reality im Gesundheitswesen könnten eine immer größere Rolle spielen – vorausgesetzt die Erstellung solch virtueller Welten und der passenden Use Cases wird einfacher möglich, als es jetzt ist. Denn natürlich muss auch der Content in virtuellen Welten ständig angepasst und erneuert werden. Da wäre es nicht hilfreich, wenn jedes Mal Entwicklerinnen und Entwickler eingebunden werden müssten. Eine Redaktionierbarkeit durch geschulte Laien und die kostengünstige Ausstattung mit passender Technik sind Grundvoraussetzung.
Virtual Reality wird zusammen mit KI und Telemedizin internationale Möglichkeiten erschaffen, die wir bisher nur erahnen können. Wichtig ist es dabei aber immer wieder, den ethischen Kompass schon bei der Entwicklung von Piloten im Blick zu haben.
Was bedeutet das für die BARMER konkret?
MG: Wir sehen uns als Partnerin im digitalen Ökosystem. Wir unterstützen beispielsweise Menschen darin, ihre digitale Gesundheitskompetenz auszubauen. Nur so schaffen wir gemeinsam die gesellschaftliche Akzeptanz für die künftige Nutzung neuer Technologien.
Es wäre theoretisch möglich Versicherte besser über ihre Erkrankungen aufzuklären und ihnen beispielsweise virtuelle Touren durch den Körper zu ermöglichen, um komplexe Prozesse wie Operationen zu erklären. Auch für Präventionsangebote gibt es eine Reihe von Möglichkeiten. Aber auch dafür wäre die Voraussetzung das Vorhandensein der Technik.
Innerhalb der Krankenkasse lassen sich ebenfalls Schulungszwecke vorstellen, sowie die Nutzung von VR für Kundenberatungen. Letztlich können so auch Versicherte in ländlichen Gebieten ein besseres Kundenerlebnis haben. Eben als ob sie mit der Kundenberatung in der Geschäftsstelle sitzen.
Vielen Dank liebe Melanie für das interessante Gespräch!
Über Melanie Santana Griebsch
Als Startup Consultant & HR/Expat Support unterstützt Melanie Santana Griebsch Startups und Corporates im BARMER HUB for Startups and Relocation in den Themen Onboarding von Internationals und Feelgood Management und fördert den Austausch von Know-how unter HR-Experten z. B. durch Workshops und Community Events.